Bertram von der Stein, Köln
Vortrag 6.5.2023, Siegburg: 28. Rheinische Allgemeine PSYCHOtherapietagung - Psychotherapie nach der Zeitenwende
Im Rahmen der Corona-Pandemie war es notwendig eine Lehrveranstaltungen mit selbstreflexiven Elementen online durchzuführen. Dabei handelt es sich um eine Selbstreflexionsgruppe von Studierenden der sozialen Arbeit an der Universität Kassel.
In selbstreflexiv ausgerichteten Gruppen treten unabhängig von Profession ähnliche Beziehungs- und Interaktionskonstellationen ein, die in einschlägigen Lehrbüchern ausführlich beschrieben sind. Gleichwohl ist über die Wechselwirkungen der Gruppenwirkfaktoren ist noch viel zu wenig bekannt (Finger-Trescher 1991). Nach Haubl (2013) Sader (1999) befinde sich die Kleingruppenforschung auf einem Tiefpunkt. Schon in Bezug auf Präsenzgruppen gibt es in der Praxis viel Unübersichtliches, Zweifelhaftes, das man pejorativ als betrachtet als Wildwuchs bezeichnen könnte. Sich aus dem Stuhlkreis, über dessen zahlreiche unklare Interaktionsmodi in die vermeintliche Grenzenlosigkeit des Internets zu bewegen macht es notwendig Fallstricke und Barrieren der „Bildschirmarbeit“ zu kennen. Es gibt zahlreiche Widerstände nicht weniger Protagonisten sich mit der Umsetzung psychoanalytischer Inhalte im online Format zu beschäftigen. Insbesondere dann, wenn es nicht um die Vermittlung psychoanalytischer Erkenntnisse in einem herkömmlichen Seminar oder einer Vorlesung geht, bei denen die Gefahr des Rationalisierens und des Intellektualisierens (Mahler 1974) oder des intellektuellen Abschaltens im Sinne der Abwehr beträchtlich ist. Eigene Konflikte werden damit nicht besser verstanden, sondern allenfalls erklärt, was dann zu schädlichem Aktionismus mit Klientinnen und Klienten führen kann. Für therapeutisch Tätige ist neben theoretischer Ausbildung daher eine Selbstreflexion zum tieferen Verständnis der komplexen Anforderungen nötig. Wie schwierig dieses Unterfangen in Zeiten der Corona Pandemie ist, soll konkretisiert werden anhand der kritischen Darstellung analytischer und tiefenpsychologisch fundierter Gruppenselbstreflexion in online Format.
So stehen am Anfang der Untersuchung etliche Leitfragen, die wenn auch nicht erschöpfend beantwortbar, den Fokus auf verschiedene veränderte oder gleichbleibende Gruppenkonstellationen richten:
Wie funktionieren analytische Prozessen wie Übertragung und Gegenübertragung online?
Kann ein gemeinsames kollektives Unbewusstes online entstehen?
Wie werden psychosoziale Kompromisse das online-Format beeinflusst?
Werden die Wirkfaktoren nach Yalom () Hoffnung-Einflößen, Universalität des Leidens, Mitteilung von Informationen, Altruismus, Korrigierende Rekapitulation der eigenen Familiengruppe, Entwicklung von Techniken des mitmenschlichen Umgangs, Nachahmendes Verhalten, Interpersonales Lernen, Gruppenkohäsion, Katharsis, Existentielle Faktoren verändert in ihrer Wirkung verstärkt oder abgeschwächt?
Was passiert, wenn man sich vielen Blicken einschließlich des eigenen gegenübersieht aber die Ganzkörperwahrnehmung der anderen Teilnehmer nicht möglich ist?
Wie ist es wenn der Körper des anderen nur eingeschränkt wahrnehmbar ist aber die eigene Mimik und Gestik permanent kontrollierbar ist?
Ist der Gesichtsausdruck im Video-Setting ein anderer?
Wie sind die Reaktionen von Video Kleingruppen?
Wie sind die Reaktionen von Video Großgruppen?
Fördert das Setting Spaltungsprozesse und psychotische Erlebensweisen?
Werden primitive Abwehrmechanismen mobilisiert?
Kann man Onlinebegegnungen als Chance betrachteten?
Wie verändert sich Erleben und Handeln des Gruppenleiters?
Dies und einiges mehr soll mit konkreten exemplarischen Beispielen angereichert nach einem Eingangsvortrag zum lebhaften Austausch in einem praxisnahen Seminar führen.
Dr. med. B. von der Stein, Berrischstr.130a, 50769 Köln,